Hausärzte und Hausärztinnen sind Vertrauenspersonen. Für die meisten Menschen sind sie die ersten Ansprechpartner bei psychischen Problemen. Aus diesem Grund gehört laut der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DGAM) die psychosomatische Grundversorgung in der Hausarztpraxis zu deren Kernkompetenzen.
Rund 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland erkranken jedes Jahr an psychischen und psychosomatischen Störungen. Das geht aus einem Gutachten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur ambulanten psychosomatischen/psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland hervor.
Viele Menschen scheuen allerdings vor dem Gang zu Psychologen und Psychiatern zurück. Die Hemmschwelle vor dem eigenen Hausarzt oder der eigenen Hausärztin ist geringer. Dieses Phänomen lässt sich durch alle sozialen Schichten beobachten.
Dementsprechend stellen sich die meisten dieser Patientinnen und Patienten bei Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin vor – bzw. bei Internistinnen und Internisten, die als Hausärzte arbeiten.
Aus diesem Grund wurde die „Psychosomatische Grundversorgung“ (PSGV) als eigenes Curriculum in die Fort- und Weiterbildungsrichtlinien der Bundesärztekammer aufgenommen.
Definition: Was ist die psychosomatische Grundversorgung?
Die Hausarztpraxis ist die erste Anlaufstelle für Menschen mit körperlichen Erkrankungen und seelischen Problemen. Sie bietet Patientinnen und Patienten mit psychosomatischer Symptomatik „einen sicheren Raum“ (DEGAM, Position 1) in Wohnortsnähe.
Hausärztinnen und Hausärzte ordnen die Beschwerden von Patientinnen und Patienten in den Kontext ihrer Biografie ein. Sie kennen in der Regel ihre aktuellen Beziehungen, wissen über ihre Familie und das weitere, soziale und kulturelle Umfeld Bescheid. Das ermöglicht es ihnen, ihre Patientinnen und Patienten bei einer ganzheitlichen Wahrnehmung ihrer Beschwerden zu unterstützen.
Der Besuch von Patientinnen und Patienten in der Hausarztpraxis gibt Hausärztinnen und Hausärzten die Möglichkeit, eine Fehlversorgung dieser Menschen zu verhindern und einen möglicherweise gefährlichen Krankheitsverlauf, etwa bei schweren Depressionen oder Essstörungen, abzuwenden.
Psychosomatische Grundversorgung in der Hausarztpraxis bedeutet, dass Hausärztinnen und Hausärzte…
- psychische und psychosomatische Erkrankungen erkennen,
- unterstützende Gespräche mit ihren Patientinnen und Patienten führen und
- diese bei Bedarf in eine fachpsychotherapeutische Behandlung überweisen. Auch dann bleiben Hausärztinnen und Hausärzte weiterhin in die Therapie einbezogen.
Sie sind somit in der Lage, Menschen mit seelischen Problemen aufzufangen und eine Grundversorgung und Begleitung anzubieten.
Die wichtigsten Vorteile der Psychosomatischen Grundversorgung in der Hausarztpraxis für Patientinnen und Patienten
Bei der Psychosomatischen Grundversorgung steht der Mensch als Ganzes im Mittelpunkt. Es geht um die ganzheitliche Betrachtung von Körper und Geist.
Patientinnen und Patienten bekommen von ihrer Hausärztin/ihrem Hausarzt verlässliche Informationen zu ihren Beschwerden. Sie legen gemeinsam mit der Expertin/dem Experten individuelle Gesundheitsziele fest. Dadurch sind die Patientinnen und Patienten in die Diagnostik und Therapie einbezogen. Das erhöht ihre Selbstwirksamkeit.
Durch das Gespräch erfahren sie menschliche Anteilnahme, Ermutigung und Fürsorge. Das macht es ihnen möglicherweise leichter, mit Krankheit und Leid umzugehen.
Für Patientinnen und Patienten aller Altersgruppen, Kulturen und sozialen Schichten bieten sich viele weitere Vorteile:
- Zur Hausärztin/zum Hausarzt besteht in der Regel ein langfristiges Vertrauensverhältnis.
- Praxisbesuche sind Anlass übergreifend möglich.
- Dadurch ist der Zugang zu fachkundiger Hilfe niedrigschwellig.
- Die Betreuung erfolgt wohnortnah.
- Hausärztinnen und Hausärzte übernehmen die Integration und Koordination der Versorgung.
- Dadurch verhüten sie eine Fehlversorgung.
- Außerdem wenden Hausärztinnen und Hausärzte durch ihr Eingreifen möglicherweise gefährliche Verläufe ab.
Welche Ziele verfolgt die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)?
Die DEGAM stellt bei der Psychosomatischen Grundversorgung in der Hausarztpraxis die Arzt-Patienten-Beziehung in den Mittelpunkt. Sie begreift die Psychosomatische Grundversorgung als Teil der hausärztlichen Identität und als Kernkompetenz in der hausärztlichen Primärversorgung.
Das Positionspapier zum Thema „Psychosomatische Grundversorgung in der Allgemeinmedizin – Ziele, Kompetenzen, Methoden“ umfasst insgesamt 14 Positionen.
Die DEGAM hat folgende Ziele:
- die Psychosomatische Grundversorgung zu definieren,
- Interventionen in der Primärversorgung zu entwickeln, zu operationalisieren und überprüfbar zu machen,
- einen Leitfaden für die modulare Vermittlung der entsprechenden Kernkompetenz in der medizinischen Aus- und Weiterbildung anzubieten,
- die Wertschätzung der hausärztlichen Arbeit zu erhöhen und
- ihre Honorierung zu verbessern.
Mit welchem Methoden arbeiten Hausärztinnen und Hausärzte bei der Psychosomatischen Grundversorgung?
Zu den üblichen Methoden gehören:
- Das hausärztliche Arzt-Patienten-Gespräch: Dabei versucht die Hausärztin/der Hausarzt, die Situation zu verstehen und zu klären. Die Patientin/der Patient erinnert sich und berichtet. Dadurch werden eigene Ressourcen aktiviert.
- Psychosoziale Interventionen: Die Hausärztin/der Hausarzt stellt Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus und verweist auf Rehabilitationsangebote und psychosoziale Hilfsangebote (Selbsthilfegruppen).
- Psychoedukation: Die Hausärztin/der Hausarzt vermittelt Wissen über psychische und psychosomatische Erkrankungen.
- Körperliche Untersuchung: Bei Bedarf finden Hausbesuche statt.
- Entspannungsverfahren: Die Hausärztin/der Hausarzt informiert über mögliche Entspannungsmethoden.
- Interventionstechniken: Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie, der systemischen Therapie und der Traumatherapie kommen gegebenenfalls zum Einsatz.
- Medikation: Wenn nötig, verschreibt die Hausärztin/der Hausarzt Medikamente.
Welche Rahmenbedingungen sind in der Psychosomatischen Grundversorgung nötig?
In der Psychosomatischen Grundversorgung spricht eine bestimmte Hausärztin/ein bestimmter Hausarzt mit einer Patientin/einem Patienten. Es ist wichtig, eventuelle Sprachbarrieren zu beseitigen und Gesprächsunterbrechungen zu verhindern.
Da nicht unbegrenzt Gesprächszeit zur Verfügung steht, sollte der zeitliche Rahmen transparent sein. Das Gespräch kann als Einzelgespräch, aber auch als Gespräch in der Gruppe sinnvoll sein.
Die GOP der Psychosomatischen Grundversorgung (35100/35110) sind nur abrechnungsfähig, wenn die differentialdiagnostische Klärung oder Intervention wenigstens 15 Minuten dauert. Diese Zeitvorgabe ist bindend. Dauern Klärung oder Intervention länger als 15 Minuten, dürfen die GOP dennoch nur einmal angesetzt werden.
Welche Vorteile hat die Psychosomatische Grundversorgung für Hausärztinnen und Hausärzte?
Der Kurs Psychosomatische Grundversorgung ist nach dem Curriculum der Bundesärztekammer verpflichtend für die Weiterbildung zur Fachärztin/zum Facharzt für Allgemeinmedizin und zur Fachärztin/zum Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe.
Außerdem ist die Weiterbildung in PSGV ist Voraussetzung für die Teilnahme am Hausarztvertrag mit den Krankenkassen. An den Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) nehmen ungefähr 5,4 Millionen Patientinnen und Patienten und über 17.000 Hausärztinnen und Hausärzte teil.
Es sprechen also sehr viele gute Gründe für den Einsatz der psychosomatischen Grundversorgung in der Hausarztpraxis.
Quellen:
- https://www.hausarzt-bw.de/teilnahmevoraussetzungen
- https://www.hausaerzteverband.de/themen/hausarztvertraege.html
- https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__73b.html
- https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Vertrauensperson-Hausarzt-232937.html
- https://www.springermedizin.de/warum-psychosomatische-grundversorgung/12438966